Singleitung

In der Nazizeit war die zu allen Zeiten erfahrene emotionale Wirkung des Singens ins Exzessive getrieben und zur Gleichschaltung von Individuen missbraucht worden, so dass es noch Jahrzehnte nach dem 2. Weltkrieg weitgehend tabu war. In den Schulen wurde soziologisiert und nicht mehr gesungen (Reinhard Mey „Annabell, ach Annabell, Du bist so herrlich intellektuell, Du bist so wunderbar negativ, Und so erfrischend destruktiv.“)

Aus Freiburg kommend, wo ich mehrere Chöre und Singgruppen geleitet und als Lehrer mit den Schülern am Gymnasium und vor allem an der Grundschule Heimbach im Schwarzwald selbstverständlich jeden Tag gesungen hatte, musste ich entsetzt feststellen, dass in der Musiklehrerausbildung an der Universität Münster Singen abgeschafft war. Mein daraufhin als Band 1 der Reihe „Musikwissenschaft und Musikpädagogik“ erschienenes Buch „Das Lied in Unterricht und Therapie“ war eines der ersten Bücher, die sich für das Singen eingesetzt hatten.

In der Musiktherapie muss Singen jedoch mit großer Bedachtsamkeit verwendet werden. Nur mit profundem musikpsychologischem Wissen können die spezifischen Voraussetzungen des Patienten aufgegriffen und mit den typischen Wirkungssubstanzen der Musik und ihrer Art der stimmlichen Gestaltung möglichst gezielt musiktherapeutisch verwendet werden.

Selbstverständlich macht Singen Spaß und ermöglicht heilsame gesundheitliche und soziale Effekte. Das allein aber genügt nicht. Es gibt nun mal nicht nur ein reichhaltiges und sehr unterschiedliches Repertoire an Liedern/Songs, sondern auch die unterschiedlichsten Arten beim Singen, Begleiten und Leiten von Singenden.

Der von der Akademie in Münster ausgestellte Singleiterschein soll gleicherweise für die Ansprüche in Krankenhäusern und Gesundheitseinrichtungen wie auch für die speziellen Anforderungen bei Senioren und in den weiteren verschiedenen musiktherapeutischen Berufsfeldern befähigen.

Siehe die Reportage des BR vom 4.4.2018 "Bock auf Singen. Warum Chöre wieder cool sind" bzw. Video

Hier der in Grundzügen weiterhin geltende Text des Prospekts „Singleiterschein“ von 2012.

Singleitung, vom Kulturreferat großer Städte wie München zeitweise gefördert, also nicht nur in Gesundheitseinrichtungen und Krankenhäusern, ist seit jeher Bestandteil der berufsbegleitenden Musiktherapieausbildung in Münster. Sie basiert auf dem inzwischen vergriffenen Buch „Das Lied in Unterricht und Therapie“ (Frankfurt, 1987). Singleitung speziell in Gesundheitseinrichtungen und Krankenhäusern wurde nun andernorts zusammen mit einem Absolventen dieses Münsteraner berufsbegleitenden Weiterbildungsstudiums Musiktherapie als Weiterbildung entwickelt und soll laut Werbeprospekt dazu dienen, „Singleiter für die Leitung und Durchführung von Singgruppen und Aktivitäten in Gesundheitseinrichtungen und Krankenhäusern zu qualifizieren. Neben einer Vielzahl von handwerklichen Fähigkeiten (Liedrepertoire, Stimmbildung, Anleitung von Singgruppen)“ sollen „auch theoretische Hintergründe sowie die Arbeit mit speziellen Zielgruppen (z. B. Psychiatrie, Krebserkrankungen, usw.) vermittelt“ werden.

Weiter heißt es auszugsweise, an Voraussetzungen seien mitzubringen:

Die Absolventen aller fünf Module erhalten ein Zertifikat zum Singleiter für Gesundheitseinrichtungen und Krankenhäuser“.

  • Soziale Kompetenz und Kontaktfreudigkeit
  • Psychische Gesundheit und Fähigkeit zur angemessenen Abgrenzung und Regulation von Nähe und Distanz
  • Sichere Singstimme und Notenkenntnisse
  • Die elementare Beherrschung eines Begleitinstrumentes (Gitarre/Akkordeon/Klavier) wird empfohlen.

Zum „Basismodul A: Singleiter für Gesundheitseinrichtungen und Krankenhäuser. Singen mit psychisch belasteten/traumatisierten Kindern und Jugendlichen, sowie Menschen, deren körperliche und geistige Fähigkeiten beeinträchtigt sind.“

heißt es in der Werbung: „Unser gemeinsames Singen wird vor dem Hintergrund theoretischer und praktischer Inhalte stattfinden, die uns in unserer gesanglichen Arbeit unterstützen können. Als Singgruppenleiter mit gutem stimmlichem Beispiel voran zu gehen, ist uns als Vermittlungsinhalt in diesem Modul ein Anliegen. Wir beschäftigen uns mit dem Finden der eigenen Tonlage in Abstimmung mit der Tonlage der Singgruppe, was gerade beim Singen mit Kindern und Jugendlichen wichtig ist sowie mit Stimmhygiene und dem Umgang mit einer sensiblen und/oder überlasteten Stimme. Das Singen mit Kindern und Jugendlichen ist an sich schon besonders: die Tonlage, Liedauswahl, Texte, „Groove“, „Sound“, können entscheidend sein, um sie zum Mit-Singen zu motivieren. Das Singen mit traumatisierten und/oder behinderten Kindern jedoch setzt eine fachliche Kompetenz des Leiters voraus, mit der wir uns in diesem Seminar beschäftigen. Wir erarbeiten gemeinsam Möglichkeiten und Wege, diesen Kindern und Jugendlichen das Singen so näher zu bringen, dass sie es für sich als Ressource und schöpferische Inspiration nutzen können. Hierzu stellen wir eine selbst entwickelte Methode vor, die sich in verschiedenen Gruppen bewährt hat. Wir werden uns in ein Setting einfühlen, in dem wir mit geistig behinderten Menschen singen. Für den Singgruppenleiter bedeutet dies, auf besonders einfache, langsame und anschauliche Art anzuleiten sowie selbst begeisterungsfähig zu sein, mitzureißen, Humor, Offenheit und sich selbst ganz authentisch einzubringen. Berührungsängste und übergroße Vorsicht sind hier fehl am Platz, Achtsamkeit allerdings ist Grundvoraussetzung für diese bereichernde Arbeit.“

Zum „Basismodul B Singleiter für Gesundheitseinrichtungen und Krankenhäuser. Aufbau von Singangeboten im Bereich Psychiatrie, praktische und theoretische Grundlagen.“

werden in der Werbung u. a. als Schwerpunkte genannt:

  • „Selbsterfahrung mit verschiedenen Formen des heilsamen Singens
  • Stimmentfaltung, Lockerungsübungen, Körpererfahrung
  • Singen in der Psychiatrie – Herausforderung in der Balance zwischen Singen und Therapie
  • Aufbau von Singgruppen und -stunden, Steuerung von Singprozessen und Singphasen
  • Theoretische Hintergründe

In diesem Seminar werden wir vermitteln, wie Singangebote an Kliniken und anderen Gesundheitseinrichtungen erfolgreich aufgebaut und durchgeführt werden können. Verschiedene Phasen des Singprozesses in Gruppen, sowie die Steuerung und Leitung des Singprozesses werden behandelt. Themen wie Integration des Singleiters in die Gesundheitseinrichtung, Auftragsklärung und des verantwortungsvollen Umgangs mit den eigenen Kompetenzen und deren Grenzen werden reflektiert. Daneben wird ein umfangreiches Repertoire an Liedern, Stimm- und Lockerungsübungen, Bewegungs- und Begegnungsformen vermittelt. Dabei liegt ein Schwerpunkt auf der Selbsterfahrung und dem eigenen Erleben im Umgang mit heilsamen Liedern und Gesangsformen. Weiterhin werden theoretische Hintergründe zu den Wirkungen des Singens sowie des Einsatzes besonderer Singformen näher erläutert.“

Zum „Aufbaumodul C: Singleiter für Gesundheitseinrichtungen und Krankenhäuser Singen als Ressource und Erfahrungsstruktur für Krankheitsbewältigung und Gesundheitsfürsorge“

heißt es in der Werbung: “Im Schatten einer schweren körperlichen Erkrankung beschäftigen wir uns oft sehr eingehend mit dem Leben, sind auf der Suche nach dem, was wir brauchen, was uns wichtig ist. Manchmal sind es sogar die Mangelerfahrungen und Grenzen, die uns in ein bewussteres Leben führen. Damit Krankheitsbewältigung gelingt, ist es wichtig, innere und äußere Ressourcen zu entdecken, um mit existentieller Verunsicherung, körperlichen Beeinträchtigungen, verändertem Selbstbild und neuen Lebensentwürfen umgehen zu lernen. In diesem Seminar wollen wir selbsterfahrungsbezogen weitergeben, wie Singen diesen Prozess stützen und begleiten kann. Um das Selbstheilungspotential von Singen zu verdeutlichen, wollen wir uns auf die Theorie der psychosozialen Grundbedürfnisse bzw. -konflikte des Menschen und ihre Regulation rückbeziehen. Dieser Ansatz bietet einen krankheitsübergreifenden Ansatz und beantwortet wichtige methodische Fragen. Lieder werden hier aufgefasst wie Erfahrungsstrukturen, die Neuerfahrungen ermöglichen und uns einladen, Lebensthemen bewusst zu erleben. Auf spielerischem Weg erkunden wir (exemplarisch):

  • Wie sich Bedürfnisse anfühlen, wie sie in uns anklingen.
  • Wie unser Instrument „Körper“, seine Haltung, Atembewegung unmittelbar auf unsere Grundbedürfnisse und deren Regulation wirken (Embodiment).
  • Wie Lieder zur Stärkung von Selbstregulation und sozialer Resonanz eingesetzt werden können.
  • Wie wir mittels stimmlichen Ausdrucks die Gefühlsregulation behutsam fördern können,  angstvolle Enge weiten, Erstarrtes ins Fließen bringen können.“

Zum Aufbaumodul D: Singleiter für Gesundheitseinrichtungen und Krankenhäuser. Leitung und Durchführung von Singangeboten im Bereich Psychiatrie und gemeindeorientiertem Singen

heißt es:

In diesem Seminar vertiefen wir Möglichkeiten heilsamer und gesundheitsfördernder Singangebote für Menschen im psychiatrischen Kontext. Menschen, die sich in depressiven, psychotischen oder anderen psychischen Krisen befinden, erleben sich oft isoliert und ausgeschlossen. Geeignete Singangebote können hier neue Möglichkeiten eröffnen, Wege aus der Isolation zu finden. Weitere wichtige Themen beim Singen mit Menschen in psychischen Krisen sind der Umgang mit Nähe und Distanz, Fragen der Integration durch gemeindeorientierte Formen des Singens (Einbeziehung von Teilnehmern aus der Gemeinde und Mitarbeitern der Gesundheitseinrichtung oder des Krankenhauses, anti-stigmatisierende Wirkung integrativen Singens). Daneben wird ein erweitertes Repertoire an Liedern, Stimm- und Lockerungsübungen, Bewegungs- und Begegnungsformen vermittelt. Dabei liegen Schwerpunkte auf der Selbsterfahrung und dem eigenen Erleben im Umgang mit heilsamen Liedern und Gesangsformen, sowie auf längerfristig angelegten Singangeboten (z. B. Chorprojekte in Kliniken), die eine Stärkung des Selbstbewusstseins durch Weiterentwicklung, Erfolgserlebnisse und Stärkung sozialer Netzwerke ermöglichen. Weiterhin werden theoretische Hintergründe zu den Wirkungen des Singens, sowie des Einsatzes besonderer Singformen näher erläutert.“

  • Singgruppen als stärkende soziale Netzwerke
  • Erweitertes Singrepertoire und längerfristige Singprojekte
  • Theoretische Hintergründe

 Zum „Aufbaumodul E: Singleiter für Gesundheitseinrichtungen und Krankenhäuser. “…und ich weiß noch nicht, bin ich ein Falke, ein Sturm oder ein großer Gesang” – Lieder als Vertiefung und Reflexion auf urmenschliche Themen“

heißt es in der Werbung:

  • „Selbsterfahrung mit verschiedenen Formen des heilsamen Singens
  • Singgruppen und -erfahrungen als Verdichtung menschlicher Themen, als Reflektion des „Hier und So Seins“ in der Welt
  • Singgruppenleitungen in komplexen klinischen Strukturen
  • Abgrenzung/bzw. Bereicherung zu sonstiger musiktherapeutischer Arbeit
  • Das Lied/ Singerfahrungen unter entwicklungspsychologischen Aspekten
  • Singerfahrungen als Möglichkeit für korrigierende emotionale Erfahrungen
  • Das Lied als triangulierendes Objekt („Katalysator“)
  • Songwriting im therapeutischen Kontext
  • Vokal- und Bewegungs-Improvisationen und Circle Songs

In diesem Seminar wird neben eigenen Erfahrungen mit heilsamen Liedern vermittelt, welche Ressource und Bereicherung die Arbeit mit der Stimme im klinischen Kontext sein kann. Es wird Stimmarbeit und Songwriting unter therapeutischen Aspekten genauer beleuchtet, die Arbeit mit Liedern und Mantren als Verdichtung menschlicher Themen. Die Besonderheiten, Schwierigkeiten von klinischen Singgruppen mit psychisch erkrankten Teilnehmern und sehr gemischter Klientel kann beleuchtet werden unter dem Aspekt von skills für die Leitung solcher Singgruppen.“

Anmeldung unter: info@mtk-akademie.de  

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